Spielerisches Lernen und agiles Arbeiten – eng miteinander verbunden

Spielerisches Lernen in Unternehmen

Spielerisches Lernen und agiles Arbeiten teilen mehrere grundlegende Prinzipien, die sie eng miteinander verbinden. Beide Konzepte setzen auf Flexibilität, Iteration und eine starke Fokussierung auf Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit.

Agiles Arbeiten basiert auf Prozessen, bei denen Teams in kurzen Sprints arbeiten, kontinuierlich Feedback sammeln und Verbesserungen vornehmen.

Agiles (spielerisches) Lernen funktioniert ähnlich: Es gibt Raum für Experimente, um aus Fehlern zu lernen und so ständig an die Umständen anzupassen, während durch Versuch und Irrtum neue Lösungen und Erkenntnisse gefunden werden.

Wir haben mit Claudia Haußmann, freiberufliche Trainerin und agiler Coach, über die Möglichkeiten und Potentiale des spielerischen Lernens gesprochen. Ihre Überzeugung ist: „Spiele und Business schließen sich nicht aus.“

Die Einleitung auf deiner Webseite lautet: „Beim Spiel kann man einen Menschen besser kennenlernen, als im Gespräch in einer Stunde“ (Platon). Kannst du das erklären?

Im Spiel zeigt sich authentisches Verhalten. Menschen agieren spontaner und ungefilterter. Eigenschaften wie Teamgeist, Geduld und Fairness treten dabei deutlich hervor. Im Gegensatz dazu sind „geplante“ Gespräche oft bewusster gesteuert. Es geht also darum, dass spielerische Handlungen oft ehrlicher sind und somit einen tieferen Einblick in den eigentlichen Charakter und die Stärken einer Person erlauben.

Welche Arten des spielerischen Lernens gibt es?

Je nach Art des Spiels werden unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen gefördert. Diese verschiedenen Arten lassen sich auch miteinander kombinieren:

  • Freies Spiel: Die Spielenden entscheiden selbst über Regeln und Ziele. Das fördert Kreativität, Problemlösung und soziale Fähigkeiten.
  • (Digitale) Lernspiele: Spiele mit klaren Lernzielen, wie Lern-Apps oder Brettspiele, die auch digital sein können. Sie vermitteln Wissen in Bereichen wie Mathematik, Sprachen oder Medienkompetenz sowie logisches Denken und Reaktionsfähigkeit.
  • Rollenspiele: Perspektivwechsel durch das Einnehmen verschiedener Rollen. Dies fördert Empathie und soziale Interaktion.
  • Konstruktives Spiel: Bauen und Gestalten mit Materialien wie Klemmbausteinen oder Bauklötzen entwickelt motorische Fähigkeiten, Kreativität und logisches Denken.
  • Bewegungsspiele: Diese Spiele beinhalten körperliche Aktivität und fördern motorische Entwicklung, Koordination und Gesundheit.
  • Kooperative Spiele: Spiele, die Zusammenarbeit erfordern, wie Teambuilding-Spiele. Sie fördern Teamarbeit, Kommunikation und Problemlösungsfähigkeiten.
  • Puzzles: Rätsel, Labyrinthe oder Logikspiele stärken das logische Denken, die Konzentration und Geduld.

Ich persönlich verwende gerne kooperative Spiele, die Puzzle-Elemente oder konstruktives Spiel enthalten. Bei Bedarf kombiniere ich diese auch mit Rollenspielen, um Probleme aus dem Berufsalltag spielerisch zu bearbeiten und daraus zu lernen.

Wie hilft das Konzept des spielerischen Lernens dabei, agiles Arbeiten und Teamarbeit in Unternehmen zu verbessern?

Ein Spiel bietet einen geschützten Raum, um neue Erfahrungen zu machen. Es ermöglicht, Strategien auszuprobieren, Verhaltensmuster zu reflektieren und aus Fehlern zu lernen.

Jeder nimmt etwas anderes mit, und das anschließende Gespräch über das Erlebte ermöglicht die Übertragung auf den Berufsalltag. Mein Ansatz ist es, die spielerische Lernreise so zu gestalten, dass eine neu erlernte Kompetenz im nächsten Spiel ausprobiert wird, um dann wieder zu reflektieren. Das setze ich zum Beispiel immer bei meiner Agilen Game Night um, die ich einmal pro Jahr am Bodensee veranstalte.

Teilnehmende lernen nicht nur aus den eigenen Fehlern, sondern auch aus den Fehlern der anderen – oft sogar effektiver. Die Reflexion beginnt auf der „Ich“-Ebene, geht dann zur „Wir“-Ebene über und wird schließlich durch den moderierten Austausch auf den Arbeitsalltag übertragen.

Welche spielerischen Elemente eignen sich besonders gut, um agiles Lernen zu vermitteln?

Kooperative Spiele, bei denen eine Herausforderung gemeinsam gelöst werden muss, eignen sich besonders gut. Dabei können Elemente wie Puzzles, Storytelling und Rollenspiele in Kombination mit konstruktivem Spiel verwendet werden. Am Ende werden die Zusammenarbeit, die Kommunikation und das Führungsverhalten reflektiert. Nachhaltig wird es, wenn die Herausforderung so nah wie möglich am Arbeitsalltag liegt.

Wie fördern diese Methoden den Teamzusammenhalt in Projekten?

Eine Gruppe ist einfach eine Ansammlung von Personen, die ihre Bemühungen koordinieren. Ein Team dagegen verfolgt ein gemeinsames Ziel, wobei die eigenen Bedürfnisse dem Ziel bei Bedarf untergeordnet werden – das ist ein Effekt, der beim agilen Arbeiten entsteht.

Der Teamzusammenhalt basiert auf Vertrauen, das notwendig ist, um Raum für tiefergehende Zusammenarbeit zu schaffen. Gemeinsamkeiten, Erkenntnisse über die Arbeitsweise der anderen und Kompromissbereitschaft sind die Grundlage. Diese Eigenschaften können durch Spiele gefördert werden.

Hast du selbst eine Lieblingsmethode oder ein Lieblingsspiel?

Ich liebe alle kooperativen Spiele, bei denen Strategien ausprobiert werden können und man immer wieder neu herausgefordert wird. Jahrelang war „Zug um Zug“ mein Favorit. In einer Spielgruppe war es einmal so spannend, dass wir den Jahreswechsel an Silvester gar nicht bemerkt haben!

Mittlerweile spiele ich gerne „Pandemie“, bei dem jeder eine andere Rolle übernimmt und wir als Team gemeinsam das Virus bekämpfen. Es wird kooperativ gegen das Spiel gespielt. Bei jedem Neustart gibt es ein neues Setting, und das fasziniert mich.

Meine Lieblingsmethode ist in Workshops die 3D-Welten von Janek Panneitz. Diese sind spielerisch, interaktiv und vielseitig einsetzbar, etwa für Brainstorming, Priorisierung und die Visualisierung komplexer Themen.

Mein Lieblings-Agile-Game ist meine eigene Simulation für agiles Arbeiten: die GraviTrax Challenge.

Wie wählst du deine Methode aus?

Um Teams weiterzuentwickeln, passe ich meine Methode je nach Team und der spezifischen Situation an. Wenn ich als externe Trainerin beispielsweise für Teamentwicklung oder Teambuilding beauftragt werde, erfolgt immer zuerst eine Auftragsklärung. Dabei klären wir die Erwartungen und Ziele des Unternehmens.

Ich arbeite nicht frontal, indem ich vorschreibe, was die Teilnehmenden lernen sollen. Ein zentraler Bestandteil des agilen Lernens ist, dass die Lösung bereits in den Menschen selbst steckt. Durch Spiele versuche ich, dies sichtbar zu machen. Jeder bringt seine eigenen Erfahrungen mit und kann daher auf unterschiedliche Weise von den Übungen profitieren. Es ist oft so, dass jeder Teilnehmende etwas anderes aus dem Spiel mitnimmt. Deshalb ist die Nachbesprechung besonders wichtig.

Während des Spiels passieren viele innere Prozesse, aber der größte Aha-Moment entsteht oft erst im Austausch in der Gruppe. Denn jede Person bringt ihre eigene Perspektive und Erfahrung ein. Studien zeigen auch, dass wir nicht immer selbst Fehler machen müssen, um daraus zu lernen. Manchmal reicht es, wenn jemand seine Erfahrungen teilt, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen.

Wie reagierst du auf Vorbehalte gegenüber spielerischem Lernen im Business-Kontext?

Ich höre häufig Aussagen wie: „Für Spiele zahle ich kein Geld.“ In solchen Fällen erkläre ich genauer, warum ich das Spiel als Lernmedium wähle. Der Sinn und Zweck des spielerischen Lernens liegt darin, den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen und zu machen.

Es geht darum, mit Problemen, die dem Berufsalltag nahekommen, umzugehen, allerdings in einem geschützten Raum. Dadurch werden keine Ressourcen verschwendet und es sind keine Kunden betroffen, während gleichzeitig ein wertvoller Kompetenzaufbau stattfindet. Wichtig ist dabei auch, dass das Lernen Spaß machen darf – und genau das steigert oft die Motivation. Mein Motto lautet ja auch 2Spielerisch lernen mit Spaß“.

Was rätst du Unternehmen, die überlegen, spielerisches Lernen in ihre Trainings zu integrieren?

Ich rate Unternehmen, offen für neue Ansätze zu sein und spielerisches Lernen als wertvolle Ergänzung zu traditionellen Trainingsmethoden zu betrachten. Besonders in Zeiten, in denen Flexibilität und schnelle Anpassung an Veränderungen entscheidend sind, können Spiele helfen, diese Fähigkeiten auf eine unterhaltsame und effektive Weise zu fördern.

Wichtig ist, dass das spielerische Lernen gut in den jeweiligen Kontext eingebettet wird und klare Lernziele verfolgt.

Durch die Reflexion nach den Spielen können die Teilnehmenden das Erlernte nachhaltig in ihren Arbeitsalltag integrieren. Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden diese Möglichkeit bieten, werden schnell feststellen, wie positiv sich das auf die Zusammenarbeit, die Innovationsfähigkeit und die Agilität der Teams auswirkt.

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